Rot-weiße
Jubelszenen nach der letzten Partie in der Bamberger Stauffenberg-Halle im
Vorjahr wie in diesem: besiegelte am 16.April 1993 der TSV Bayer 04
Leverkusen seine elfte deutsche Meisterschaft, feierte am 8.April 1994
Brandt Hagen inmitten von Vereinsbannern und -Schals die erste
Finalteilnahme seit dem bisher einzigen Titelgewinn 1974 überschwenglich.
Aber wahrend vor zwölf Monaten auch die Basketballer des TTL Bamberg die
Korken knallen ließen, die Fans die lila-weißen TTL-Fahnen schwenkten
neben den rot-weißen des Meisters, wirkte die Ernüchterung über das
abrupte Ende der Saison diesmal noch lange nach. Durfte der TTL im
Vorjahr, als er erstmals überhaupt in der Geschichte des Bamberger
Basketballs die Endspiele um die nationale Meisterschaft erreichte, auf
eine rundum erfolgreiche Saison zurückblicken, gilt dies heuer nur mit
einer Einschränkung. Klar ist: Der TTL Bamberg, neben Serienmeister
Leverkusen als einziges Team der letzten fünf Jahre regelmäßig im
Halbfinale, hat seinen Platz als eine der führenden Kräfte im deutschen
Basketball bestätigt. Aber die großen Höhepunkte der Vorjahre -
Pokalgewinn 1992, Vizemeisterschaft 1993 - fehlten diesmal. "Ja und
Nein" ist eine Antwort auf viele Fragen, die sich stellen für
Spieler, Verantwortliche und Anhänger. Auch auf die grundsätzliche: ist
der TTL Bamberg mit dem Verlauf des Spieljahres zufrieden?" Dazu
Manager Hans Herbst: .Ausgehend von der Situation zu Saisonstart und
unseren Zielen damals, dürfen wir nicht enttäuscht sein. Enttäuschend
war sicherlich das Saisonende."
Verletzungssorgen
Auf Grund ernsthafter Verletzungen von Center Robert Reisenbüchler (an
der Leiste) und Flügelspieler Mike Jackel (Beschwerden im Fuß stellten
zeitweise sogar die Karriere des Bamberger Rekord-Korbschützen in Frage)
wurde erst kurzfristig entschieden, daß auf der zweiten Ausländerposition
neben ,Sly" Kincheon ebenfalls ein "Langer" verpflichtet
werden soll und nicht ein Aufbauspieler, wie ursprünglich geplant. Den
richtigen zu finden, erwies sich als problematisch. Wie schon in den
Vorjahren, wurde wahrend der Saison gewechselt, als Jens-Uwe Gordon für
Geoff Lear kam. Gegenseitige Anpassungsschwierigkeiten waren
vorprogrammiert. Immer wieder fielen auch andere Leute aus, wie etwa der
in der Anfangsphase brillante und auch im weiteren Verlauf der Runde für
die Mannschaft unersetzliche Spielmacher Kai Nürnberger. Kaum einer im
Team, der von den immer wieder umgehenden Erkältungswellen verschont
geblieben wäre. Dennoch bot der TTL Bamberg einige herausragende Partien.
"Zu Hause gegen Berlin, das war vielleicht die beste, als der Gegner
in keiner Phase eine Chance hatte", blickt Coach Terry Schofield zurück.
Hans Herbst nennt die drei in Meisterschaft und Pokal in der
Stauffenberg-Halle gegen den Nachbarrivalen Steiner Bayreuth, und auch das
letzte Heimspiel der Punkterunde gegen den SSV Ulm gehört in diese Reihe.
Aber im Playoff-Halbfinale gegen Brandt Hagen konnten die
Bamberger ihr Leistungspotential nicht ausschöpfen, genauso wenig wie im
"Final-Four" -Turnier um den Pokal Anfang Januar trotz
Heimvorteils. "Beim Pokal-Finalturnier waren wir verletzungsbedingt
so geschwächt, daß ich schon im Vorfeld befürchtet hatte, nicht allzu
weit zu kommen", so Coach Terry Schofield zum "Aus" in der
Vorschlußrunde gegen den SSV Ulm. "Und was das Play-off-Halbfinale
betrifft: durch unsere Aufholjagd in der Punkterunde, als wir erst am
letzten Spielwochenende Platz 1 in der Südgruppe erkämpft haben, war der
Krafteverschleiß einfach zu groß. Immerhin hatten wir, obwohl wir ständig
unter Druck standen, vor dem Halbfinale elf der vorangegangenen zwölf
Spiele gewonnen." In der entscheidenden Phase erwies sich Brandt
Hagen, im Vorjahr noch in der Abstiegsrunde, heuer Pokalsieger und
Meisterschafts-Finalist, als die bessere Mannschaft. In der Punkterunde
gewann der TTL so gut wie immer, wenn er sein stark offensiv betontes
Spiel (im Schnitt mit 91,7 Zahlern pro Begegnung weit vor der Konkurrenz
auch aus Leverkusen) durchsetzen konnte, was ihm auch im
Play-off-Viertelfinale gegen die BG Bramsche gelang.
Großer Kraftaufwand
Aber diese
Erfolge wurden mit großem Kraftaufwand erzielt. Und die Hauptlast hatten
immer wieder die gleichen Spieler zu tragen, denn gerade von der Bank kam
oft einiges weniger, als die Verantwortlichen erwartet hatten. Robert
Reisenbüchler hatte fast ständig mit Verletzungen und Krankheiten zu kämpfen
und bestritt nur einen Bruchteil der Pflichtspiele. Arne Alig, sein
Centerkollege, begann nicht schlecht, kam aber in der Endphase nicht mehr
in Tritt. Henrik Gese (Schofield: "daß er seinen Zivildienst
leistet, hat sich als starke Belastung für ihn erwiesen") wurde kaum
eingesetzt. Bruno Roschnafsky und Volkmar Zapf schwankten beide in ihren
Leistungen, genauso wie Jens-Uwe Gordon, bei dem allerdings in den letzten
Wochen ein Aufwärtstrend deutlich zu erkennen war. Zu Stützen des Teams
entwickelten sich Pat King in seinem zweiten Jahr in der Bundesliga, der
sogar in den erweiterten Nationalkader berufen wurde, und "Sly"
Kincheon, der unter dem Korb eine Macht darstellte. Die "Achse"
Kai Nürnberger und
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Mike Jackel blieb allerdings die Seele des TTL-Spiels.
Gerade die Hagener erwiesen sich aber als Meister darin, die vielen Stärken
und wenigen Schwächen der beiden Europameister auszuloten; sie hatten
zudem die Leute in ihren Reihen, die es ihnen ermöglichten, darauf zu
reagieren. "Es ist richtig, daß die Mannschaftsleistung im
Halbfinale nicht optimal war, wenngleich ich keinem absprechen möchte, daß
er sich voll eingesetzt hat", räumte Hans Herbst ein. Schofield: "Unser
größtes Problem war, als Mannschaft konstant zu spielen." Hätten
Manager und Trainer im Saison-Rückblick zu irgendeinem Zeitpunkt irgend
etwas entscheidend anders gemacht? Kopfschütteln bei beiden nach
kurzer Überlegung. Hans Herbst faßt die Antwort in einem Satz zusammen
"Wir hatten angesichts der vielen Probleme schon vor Saisonbeginn und
auch wahrend der gesamten Runde keine Alternative ". Die Korsettstangen
des TTL Bamberg 1994/95 werdeen dieselben sein wie die in der abgelaufenen
Runde. Die Verträge von Mike Jackel und Kai Nürnberger und Coach Terry
Schofield laufen genauso weiter wie die von Volkmar Zapf und Bruno
Roschnafsky. Gerade Nürnberger wird immer wieder mit anderen Vereinen in
Verbindung gebracht, ein vorzeitiger Wechsel sei aber weder für den Verein
noch für den Spieler ein Thema, erklärte der Manager. Sonst wurde sich
der Nationalspieler wohl auch nicht derzeit nach einer gößeren Wohnung
in Bamberg umsehen. Sylvester Kincheon hat unmittelbar nach Saisonende
einen neuen Kontrakt über zwei Jahre unterschrieben. Einig, so Hans
Herbst, sei sich der Verein mit Jens-Uwe Gordon, der ebenfalls für
weitere zwei Jahre verpflichtet werden soll. Die Unterschrift sei
lediglich noch Formsache. Die Vertrage von Pat King, Robert Reisenbüchler
und Arne Alig laufen aus. Mit allen dreien, erklärte der Manager, werde
noch verhandelt. Gerade im Fall von King, das ist kein Geheimnis, setzt
der TTL alles daran, um zu einer Einigung mit dem Spieler zu kommen. King:
"Die Verhandlungen laufen noch, mehr möchte ich dazu momentan nicht
sagen. Ich denke, daß in der kommenden Woche eine Entscheidung
fallt."Henrik Geses Vertrag gilt auch
für die kommende Saison, jedoch müsse laut Hans Herbst angesichts der
wohl für beide Seiten nicht befriedigend verlaufenen Runde darüber
gesprochen werden. Der Bedarf und auch der Spielraum für "Neue"
ist also begrenzt, genauso wie der Spielermarkt in Deutschland, und bis
jetzt steht kein Zugang fest. Mit Keith Gray, dem Spielmacher des
Zweitligisten SV Tübingen, verhandelt der TTL, der die Lücke, die hinter
Nationalspieler Nürnberger im Aufbau bei den Bambergern klaffte,
einigermaßen schließen könnte. Gray, vor Jahren mit Kincheon beim TSV
Hagen, besitzt mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft. Da Jens-Uwe
Gordon, bisher neben Kincheon zweiter Ausländer beim TTL, nicht nur einen
deutschen Vornamen hat, sondern auch eine deutsche Mutter, liegt der
Gedanke nahe, sich auch für ihn um einen deutschen Pass zu bemühen.
Damit würde eine Ausländerstelle frei. Natürlich denken wir darüber
nach", so Herbst. "Aber ob das geht, ist noch völlig offen."
Überlegungen, den 2,16 Meter Iangen Sascha Hupmann (bisher TVG Trier)
nach Bamberg zu holen, lassen sich wohl nicht umsetzen. Herbst: "Die
Summen, die da im Gespräch sind, haben wir nicht."
Zuschauerschnitt rund 1700
Seit Jahren finanziell bestenfalls im oberen Bundesligadurchschnitt
angesiedelt, werde der TTL Bamberg auch im kommenden Spieljahr (wie auch
in diesem) über einen Etat zwischen 1,2 und 1,3 Millionen Mark verfügen
können, erklärte der Manager. Dies mit Hilfe von rund 200 Gönnern und
Werbepartnern neben dem Namenssponsor. Zwar ist der Besucher-Durchschnitt
im Vergleich zum Vorjahr um 200 auf rund 1700 pro Bundesliga-Heimspiel
gestiegen (bereits jetzt sind über 500 Dauerkarten für die kommende
Hunde verkauft), aber viel mehr als ein Viertel des Jahreshaushalts lasse
sich damit dennoch nicht decken. So richtig Pause wollen die Bamberger gar
nicht machen. "Jetzt, unmittelbar nach Saisonende, lauft natürlich
wenig, aber diejenigen, die in Bamberg bleiben, trainieren zumindest
eingschränkt weiter", so Herbst. Bereits im Juni wird vier Wochen
lang wieder im Team trainiert (ohne Nationalspieler allerdings, die auf
die WM in Toronto hinarbeiten), wobei am 2S./24. Juni ein Abschlußturnier
geplant ist. Sechs Wochen vor dem Start in die Saison 1994/95, der am 16.
September erfolgt, beginnt die "heiße Phase" der Vorbereitung,
wobei auch hier die WM-Teilnehmer zunächst nicht zur Verfügung stehen.
"Wir können unserer Mannschaft, in der mit Kai Nürnberger und Mike
Jackel zwei Europameister stehen, nicht sagen, wir spielen um Platz
3", so die Antwort von Hans Herbst auf die Frage nach den Zielen.
"Wir nehmen einen neuen Anlauf und versuchen, so weit wie möglich zu
kommen." Ist im Hinblick auf die seit Jahren drückende Finanznot im
Vergleich zur Konkurrenz ein Platz in der Spitze auf Sicht überhaupt zu
halten? Wieder Herbst: "Was hier in Bamberg in Zusammenarbeit
zwischen Verein und Coach Schofield zuletzt Jahr für Jahr erreicht wurde,
ist ja schon an sich unmöglich. Dies versuchen wir auch in der
Zukunft."
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