"Das stinkt
mir immer noch!" Ungerechtigkeiten bringen Ken Scalabroni auf die
Palme. Der Vorfall, der den Trainer des TTL Universa Bamberg noch heute
beschäftigt, passierte am 16. Dezember beim Heimspiel in der
Basketball-Bundesliga gegen Leverkusen, das der TTL nach einem
nichtgeahndeten Foul in der Schlußsekunde noch mit einem Punkt
Unterschied verlor. "Das war unser Sieg. Aber der Schiedsrichter war
nicht neutral", schimpft der Coach. Dennoch: Mindestziel erreicht -
so lautet die Bilanz der abgelaufenen Saison beim TTL. Die Spielzeit war
gekennzeichnet von Höhen und Tiefen und vor allem von einer endlosen
Verletzungsmisere. Bei den Planungen für die kommende Saison hängt viel
von der Umsetzung des Bosman-Urteils ab. Unsicherheit herrscht derzeit bei
allen Bundesliga-Teams vor.
Fader Beigeschmack
"Wir haben alle gesteckten Ziele erreicht, und trotzdem ist das Ende
unbefriedigend. Es gab einen faden Beigeschmack wie nach dem Pokal-Aus im
Final Four", sägt TTL-Trainer Ken Scalabroni. Damit hat der
Bamberger Coach die beiden Tief-, punkte der Saison angesprochen. Nachdem
das Ziel in der deutschen Meisterschaft, das Play-off-Halbfinale,
erreicht wurde, verabschiedete sich der TTL sang- und klanglos mit drei
Niederlagen gegen Titelverteidiger Bayer Leverkusen. Im nationalen Pokal
war im Halbfinale gegen den SSV Ulm ebenfalls Endstation. Mit Ulm ist aber
auch der Saisonhöhepunkt verbunden, denn gegen die Schwaben imponierte
ein Bamberger Rumpfteam im Playoff-Viertelfinale mit vier Siegen in Folge.
Die Punkterunde zuvor schloß der TTL als Tabellenvierter mit 19 Siegen
und sieben Niederlagen ab. Im Korac-Pokal hieß das Vorhaben, in die
dritte Runde einzuziehen. Mit Siegen gegen NH Ostrau und SB Osijek wurde
dies umgesetzt, allerdings schoß der TTL auch in diesem Wettbewerb nach
Niederlagen gegen TS Bologna nicht übers Ziel hinaus. Lange
Verletztenliste "Es war eine Saison, die alles in sich hatte",
resümiert Scalabroni. Dies könnte auch die medizinische Abteilung des
TTL behaupten, denn das große Verletzungspech und Krankheiten der
Bamberger Spieler sorgten für viel Abwechslung auf dem Behandlungstisch.
"Es hat schon am zweiten Trainingstag angefangen, als Bruno
Roschnafsky wegen einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus mußte",
blickt der Trainer zurück, "dieses 'Glück' ging durch die
Mannschaft, fast jeden hat es erwischt." Sechs Punkte weniger Gerade
angesichts der Ausfälle habe sich die Mannschaft "bravourös"
geschlagen und trotzdem die Ziele erreicht. Seiner Meinung nach habe man
nur drei Spiele deutlich abgegeben: die ersten zwei Play-off-Partien gegen
Leverkusen und das Auswärtsspiel in Hagen. Einzelne Akteure will
Scalabroni nicht herausheben, er sagt: "Jeder Spieler hat Phasen
gehabt, in denen er zum Erfolg beigetragen hat. Und ich glaube, wir haben
in diesem Jahr gezeigt, daß wir verteidigen können. Im Durchschnitt
haben wir 77,8 Punkte zugelassen, sechs Punkte weniger als im Vorjahr. Das
ist eine Menge."
Zwei Spiele in Folge
"tödlich"
Manager Hans Herbst meint: "Positiv ist, daß wir uns keinen
Ausrutscher im Gegensatz zu den Jahren zuvor erlaubt haben. Vermeintlich
schwächere Gegner haben wir immer besiegt. Auf der anderen Seite haben
wir es diesmal nicht geschafft, gegen Leverkusen oder Berlin ein Spiel zu
gewinnen. Aber der Ausfall von Spielern am laufenden Band hat die Sache
für Trainer und Mannschaft schwieriger gemacht. Sie mußten sich immer
wieder auf neue Situationen einstellen." Er zeigt auch Verständnis
für das abrupte Saisonende: "Das Hauptproblem war die dreiwöchige
Pause nach dem Viertelfinale. Das hat der Mannschaft viel von ihrem
Spielrhythmus genommen. Und die Verletzten Gärdon und Ogg haben ihr Level
nicht mehr erreichen können."
Die lange Pause vor dem Play-off-Halbfinale, und dann zwei Spiele innerhalb
von 24 Stunden - das ist eine weitere Sache, die Trainer Scalabroni heute
noch wurmt. "Die zwei Spiele hintereinander waren tödlich. Im
dritten, das lange offen war, haben wir erst unseren Rhythmus
wiedergefunden." Auch Manager Herbst meint: "Das war eine Art
Bestrafung. Aber was hätten wir anders machen sollen? Wir waren bereit,
zu Testspielen auch ins Ausland zu gehen, doch überall war die
Meisterschaft in der entscheidenden Phase, wir haben keine Gegner
gefunden. Leverkusen, das zum Trainingslager in Spanien war, hat da ganz
andere Mittel zur Verfügung."
|
"Nicht
meilenweit entfernt"
Die Forderung vieler Fans, daß der Abstand zum deutschen Topteam
Leverkusen verringert werden müsse, hält er für erfüllt:
"Leverkusen ist nicht meilenweit von uns entfernt." Wie sich das
Kräfteverhältnis in Zukunft entwickeln wird, erscheint den
TTL-Verantwortlichen aber höchst ungewiß.
Manager Hans Herbst dazu: "Derzeit sind überhaupt keine Prognosen
über die Spielstärken möglich, das hängt mit dem Bosman-Urteil
zusammen." Am 18./19. Mai wird der Internationale
Basketball-Verband FIBA entscheiden, wie das Urteil umzusetzen ist. Die
Tendenz geht dahin, die Ausländerbeschrän-kung nicht nur für Spieler
aus EULändern, sondern für alle Europäer aufzuheben. Das heißt, der
Spielermarkt wird sich noch auf den ehemaligen Ostblock ausdehnen, gerade
im früheren Jugoslawien und in Rußland gibt es ein großes Potential.
Basketballer, die künftig voraussichtlich ebenso ohne Belastung des
Ausländerkontingents eingesetzt werden können wie Spanier, Italiener,
Griechen, Finnen usw. Umgekehrt sind natürlich auch deutsche Spieler als
Nicht-Ausländer für andere europäische Vereine höchst interessant
geworden.
Vertragsverhandlungen
"Es herrscht eine gewisse Unsicherheit, weil man nicht weiß, wie
sich die Neuregelung auswirken wird", erklärt Hans Herbst, auf den
in den nächsten Tagen und Wochen viel Arbeit zukommt. Denn
Vertragsverhandlungen für die neue Saison stehen an. Weiterlaufende
Verträge beim TTL haben lediglich Kai Nürnberger (noch zwei Jahre) und
Jens-Uwe Gordon (noch ein Jahr). Fest steht bislang nur, daß Allan Ogg,
der als Aushilfe für die verletzten Center geholt worden war, in die USA
zurückkehrt. "Mit allen anderen Spielern aus dem Kader, werden. wir
reden, um zu sehen, welche Vorstellungen sie haben. Wir werden und können
aber nicht alle halten. Und wir müssen erst abwarten, wie die FIBA
entscheidet" sagt Hans Herbst. "Als die deutschen Spieler
praktisch nur für deutsche Vereine interessant waren, war es leichter,
sie zu halten. Jetzt loten natürlich auch die deutschen Spieler aus, ob
sie woanders nicht mehr verdienen können."
Entsprechend vorsichtig äußert sich auch Trainer Ken Scalabroni zu den
Aussichten: "Wir wollen auch nächste Saison wieder guten Basketball
zeigen, aber erst muß die Mannschaft stehen. Klar ist: viele Vereine
werden versuchen, sich durch europäische Spieler einen Vorteil zu
verschaffen. Wenn wir wieder vorne dabei sein wollen, müssen wir uns
daran beteiligen." Der TTL sieht sich derzeit auch im Ausland um, und
so ist Manager Hans Herbst "zutiefst davon überzeugt", daß der
Bamberger Mannschaft kein Sturz in untere Tabellenregionen droht. Herbst:
"Dazu ist bei uns zuviel Potential vorhanden."
Ein weitaus geringeres Problem als die Transferpolitik scheint die
Installierung eines ab der Saison 97/98 verbindlich vorgeschriebenen
Parkettbodens in der Spielhalle zu sein. "Derzeit laufen Gespräche
zwischen dem TTL und der Stadt Bamberg, die ihre grundsätzliche
Bereitschaft erklärt hat, den Boden in der Graf-Stauffenberg-Halle
auszuwechseln. Es bleibt die Frage der Finanzierung, denn der Umbau kostet
200 000 bis 250 000 Mark", erläutert Hans Herbst, dem dieses Projekt
auch angesichts der weiterlaufenden Verträge mit den Hauptsponsoren kaum
Kopfzerbrechen bereitet. Pläne nach dem Neubau einer Basketballhalle
ruhen laut Manager Herbst derzeit. Dafür rücke aber das Thema
Sportmarketing in den Vordergrund.
Ein Lebensstil
Trainer Ken Scalabroni, der seine erste Saison als Chefcoach hinter sich
hat und dessen Vertrag um zwei Jahre verlängert wurde, zieht eine
persönliche Bilanz: "Es war ein langes Jahr mit vielen Höhen und
Tiefen. Alle Leute im Umfeld, von den Balljungen bis zur
Geschäftsleitung, haben alles sehr viel leichter für mich gemacht - ich
hoffe, daß das so bleibt. Es war ein Jahr, in dem wir die extremsten
Seiten des Lebens gesehen haben: vom Krisengebiet in Bosnien über die
Slowakei, die den Anschluß an die westliche Welt sucht, bis hin zum
Nobelhotel in Bologna. Die Eindrücke sitzen tief. Wenn wir unterwegs sind
und man zum Beispiel nachts an einer Autobahnraststätte sieht, wie hart
die Leute da arbeiten, dann macht man sich Gedanken. Und es ist immer
wieder schön, wenn man von der Autobahn runterfährt und dann die
Altenburg sieht. Profi-Basketball ist ein Lebensstil - und es macht Spaß,
auch wenn der Druck auf Spieler und Trainer groß ist. Man hat immer die
Ungewißheit und Sorge, daß etwas nicht so funktioniert, wie man sich es
vorstellt."
|